Was ist eigentlich PR?

Je mehr Fachleute der Interessierte fragt und je mehr Literatur er liest, desto verwirrter ist er, wenn er sich die scheinbar einfache Frage beantworten will, was Public Relations eigentlich ist.

Ein Beispiel: Public Relations sei ein klassisches Kommunikationsinstrument, erklärt Manfred Bruhn (Kommunikationspolitik, 2007, S. 400) und ordnet die Kommunikationspolitik – und damit die PR – in die marktbeeinflussenden Variabeln des Kommunikationsmix (S. 9) ein. Gleichzeitig ist vom Wandel der PR ist die Rede, so dass PR zu einem strategischen Erfolgsfaktor geworden sei (S. 237). PR ist also sowohl ein Instrument als auch ein strategisches Element aus Unternehmenssicht. Schaut man dann in Günter Benteles PR-Theorie des öffentlichen Vertrauen, so trägt PR mit Vertrauensbildung dazu bei, die Komplexitätskosten in der Gesellschaft zu senken (Bentele, Öffentliches Vertrauen, normative und soziale Grundlagen für Public Relations, 1994), auch wenn PR interessengebunden arbeitet (Horst Avenarius, Public Relations. Die Grundform der gesellschaftlichen Kommunikation, 2000, S. 28).

Wie passen dieses marktbezogene PR-Verständnis von Bruhn – das zwischen Instrument und Strategie changiert – und das gesellschaftliche PR-Verständnis von Bentele vor dem Hintergrund der Interessengebundenheit der PR von Avenarius zusammen? – Ist PR alles das? Oder sprechen die Autoren von unterschiedlichen Dingen? Der interessierte Leser ist nach dem Blick in drei einschlägige PR-Bücher nicht viel weiter gekommen. Klar ist: PR ist heute ein changierender Begriff. Oder etwas anders formuliert: PR wird kontrovers diskutiert. Wie diese Sichtweisen kollidieren und mit welchen Annahmevariationen sie sich zusammenbringen lassen sind zentrale offene Fragen für Theorie und Praxis.

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Prof. Jan Lies im Interview mit grundwissen-pr.de

PR als Integrationsfunktion zergliederter Gesellschaften – ein Irrtum der PR-Forschung?

Seit Beginn der PR-Diskussion in Deutschland – spätestens seit Albert Oeckl – wird Öffentlichkeitsarbeit die Fähigkeit zugesprochen, zergliederte Teilgesellschaften zusammenzuführen durch Konsensbildung. PR leiste gar einen Mehrwert im wohlfahrtsökonomischen Sinne, heißt es. Diese These findet sich an vielen Stellen in der PR-Diskussion wieder wie zum Beispiel in der PR-Theorie von Ronneberger/Rühl.


Redaktion: PR leistet einen gesellschaftlichen Integrationsbeitrag, in dem sie Minimalkonsens herbeiführt. Was ist von so einer PR-Diskussion zu halten?
Prof. Lies: Dafür muss erstmal klar sein, was mit dem Integrationsbegriff eigentlich gemeint ist. Geht es um eine Zielbeschreibung, unterschiedliche Positionen und Einstellungen zu bestimmten Themen von unterschiedlichen Gruppen in der Gesellschaft zu vereinheitlichen? Oder geht es um die Tendenzbeschreibung? Oder geht es um eine normative gesellschaftliche Forderung?

Redaktion: Nehmen wir an, Integration bedeutet, strittige Themen mit PR zu moderieren, so dass ein entscheidungsbezogener Kompromiss gefunden wird.
Prof. Lies: Im Spezialfall einer Krise oder eines lokal begrenzten Diskurses mag es Situationen geben, in dem PR tatsächlich so funktioniert, eingesetzt wird und wirkt. Der PR-theoretische Beitrag der Dialogkommunikation von Roland Burkart in Wien zeigt dies auf. Dies lässt sich allerdings nicht verallgemeinern.

Redaktion: Warum nicht? Das klingt doch plausibel?
Prof. Lies: Nein. Wir wissen, dass es nicht die eine Öffentlichkeit gibt. Gerade weil Dialoggruppen oder Stakeholder-Communities sich durch unterschiedliche Interessen, Werte, Themen und andere Kriterien von einander abgrenzen, ist grundsätzlich die Fragen zu stellen, ob Konsens überhaupt eine relevante PR-Frage aus Sicht dieser Gruppen und der Gesellschaft insgesamt ist. Gerade weil es unterschiedliche Werte und Bewertungen gibt, wird die Frage nach Konsens doch oft gar nicht gestellt. Wofür auch? Von daher lässt sich provokant sagen, dass eine gesellschaftliche Integrationsleistung oftmals nur ein zufälliges Abfallprodukt von PR.

Redaktion: Was heißt das für die PR-Modelle, die der PR eine Integrationsrolle zusprechen?
Prof. Lies: Die Autoren müssen sich meines Erachtens zwei Fragen stellen lassen: Aus theoretischer Sicht ist zu fragen, ob ihre Modelle theoretisch überhaupt funktionieren können. Aus praktischer Sicht ist zu fragen, ob sie für Organisationen, die PR betreiben, relevant sind. Kann ein Unternehmen nicht auch ohne gesellschaftliches Vertrauen oder Konsens langfristig erfolgreich sein?
Redaktion: Wir danken für das Gespräch.

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